FERRAMENTUM

Ferramentum – ist der Titel einer Ausstellungskonzeption, deren Inhalt die Darstellung und Betrachtung der ästhetischen Erscheinungsbilder vielfach gebrauchter und abgenutzter, mechanischer, metallener Werkzeuge und Instrumente ist. Die Bildlichkeit der dar-gestellten Objekte wird vornehmlich von ihren durch multiplexen Gebrauch entstandenen Strukturen und Oberflächentexturen bestimmt. Kratzer und Ritzungen, Korrosionen und Rostfraß, Schleifspuren und stumpf gescheuerte Polituren in gegossenem, gehämmertem, gewalztem Metall, aufgerissene und splitternde Lackschichten, zerfaserte Litzen
und verbogene Drähte, Bänder und Stifte. Durch die Anordnung der Bildelemente unter- und zueinander wird deutlich, welche Kräfte und Bewegungen zum Gebrauch der „Werkzeuge“ notwendig sind oder waren.

Blaue Zangen Acryl, Sand, Asphaltlack auf Karton 75 x 105 cm
Collect Acryl, Sand, Asphaltlack auf Karton 75 x 105 cm

Die Thematik wird vom Künstler vornehmlich in mehrschichtiger Acryl-Mischtechnik auf Leinwand, Karton oder Holz gearbeitet. Bei den Aquarellskizzen, als vorbereitenden Arbeiten, ist es in erster Linie die Reduktion des Formates, die es dem Künstler möglich macht, die Komposition eines Bildes klar zu überschauen, also Linienführung, Flächen-aufteilung und Farbkontraste optimal zu kontrollieren. Räumliches Pendant zur Malerei sind die Stelen, die parallel hierzu nach gezeichneten Entwürfen mit Grafit- und Farbstift auf präpariertem Papier bzw. Karton entstehen, und die naturgemäß und im wahrsten Wortsinne viel Spielraum zur Spontaneität und Intention lassen. Sie sind als Betonobjekte geplant, mit einer Grundfläche von cirka 25 x 25 cm und einer Höhe von 100 bis 160 cm. Kleinere Abformungen dieser Stelen sind als Skulpturen aus Keramik, Zementguß oder Alabastergips für den Innenbereich gedacht. Auch bei diesen Objekten ist die jeweilige Textur der Oberfläche wesentliches Gestaltungsmerkmal. Es bleibt ganz dem Betrachter und seiner Seh- und Sichtweise überlassen, ob die „Werkzeugteile“ aus der säulenartigen Grundform heraus brechen, gleichsam „geboren“ werden oder ob sie in einem formal klar definierten Objekt wie in einem beschädigten Artefakt versenkt sind.

Das Konzept Ferramentum – Eisernes Werkzeug ist aus dem früheren Thema des Künstlers hervorgegangen

Der Mensch als Sammler am Beispiel des Großvaters

Kein Nägelchen war zu rostig, kein Stiftchen zu krumm, als daß es der Großvater nicht aufgehoben, in die Tasche seiner schwarzen Arbeitsjacke gesteckt und zuhause in seinem Schuppen zur Verwahrung in eine alte Kaffeebüchse geworfen hätte, bis er an einem verregneten Tag dazu kam, sich diesem Büchseninhalt zu widmen. Mehrfach verbogene Nägel wurden dann auf einem kleinen Amboß mit leichtem Hammer gerade getrimmt und nach unterschiedlichen Größen in bedruckte Kaffee-und Konservendosen, angeschlagene Einmachgläser, abgesplitterte Vasen, verbeulte Granatkartuschen, henkellose Blechtassen und rissige Senftöpfe sortiert. Für Kopfnieten, Größen gemischt, gab es eine flache, braune Dose, auf deren Schraubdeckel in ockerfarbener Jugendstilschrift das Wort SADDLESOAP und darunter ein roter Pferdekopf gedruckt waren. Wurstdosen vom Hausschlachten, die durch oftmaligen Gebrauch und zwangsläufiges Immer-Wieder-Abschneiden zu klein geworden waren, oder solche, deren Lötnaht Löchrigkeit aufwies, dienten der Aufbewahrung von Rundkopf- und Flachkopfschrauben. Betagte Schlossschrauben und -muttern wurden, jeweils eine Hand voll, nachdem sie geraume Zeit in rostfressenden und fettigen Flüssigkeiten gelegen hatten, in orange Ins rotbraunes Ölpapier eingewickelt und in handhoher Zigarrendose geschichtet.

Dichtungsringe, Unterlegscheiben, Spreng- und Gardinenringe, Schlauchmanschetten, Isolierscheiben, eben alles, was rund war und ein Loch inder Mitte hatte, hing auf nicht zu dünnem Draht zu Bündeln gefasst und wie selbstverständlich nach Größen eingeteilt an zwei senkrechten Stützbalken neben der Tür. Auf‘ einem Brett über der dicken Werktischplatte standen in Kopfhöhe Schuhkartons und Sperrholzkistchen. Hierin hob der Sammler und Großvater alte Möbelschlösser, Glühbirnenfassungen, Stuhl- und Rahmenwinkel, Scharniere aller Größen, Türriegel für innen und außen, Fenstergriffe und sonstige Beschläge auf.

Der Schuppen des Großvaters, Wand an Wand mit dem Schweinestall, barg früher all jene Dinge, die von einer seit der Menschwerdung in uns wohnenden Leidenschaft Zeugnis redeten: das nämliche Sammeln. Mit Kunst nichts am Hut und durch die beinharten Lebensbedingungen der Tausend Jahre im deutschen Reich und der paar Jährchen danach eher zu nüchterner denn phantasierender Betrachtungsweise neigend, ließ der Großvater, mehr ohne Absicht, ungewollt hier in seinem Werkzeugschuppen eine Ästhetik entwickeln, die für mich damals so faszinierend war wie sonst nur noch Zeppeline am ländlichen Sommerhimmel oder Weihnachtsmärchen im Theater.

In henkellosen Tassen, Büchsen, Kistchen und Schachteln sammelte und sortierte er rostige, gerade und krumme Nägel und Schrauben, Gummiringe und Patronenhülsen, Kerzenstummel und Radioknöpfe, Unterlegscheiben, Dichtungsringe, halbe Schnürsenkel und Keramiklüsterklemmen, Tür- und Schrankschlüssel, abgebrochene Hammerstiele und Schraubenziehergriffe, gewöhnliche und außergewöhnliche Hosen- und Hemdknöpfe und Dinge und Sächelchen, die mir fremd waren und die ich so gar nicht kannte. Aber die Bedeutung der Sachen, ihr heiliger Zweck waren für mich sowieso nebensächlich. Ich war ganz und gar eingenommen von der Vielzahl und Vielfalt der Behältnisse, den ehemals bunten, jetzt vergilbten, angerissenen, zerkratzten Etiketten, den aufgedruckten exotischen Landschaften und Figuren auf Kaffeedosen . In einer dieser Dosen standen die für uns Kinder so nützlichen Messer; abgebrochene, rostige, ohne Griffe. Hieraus wurden wir im Spätherbst zum Rübenschnitzen bedient. Aus der Sicht des Buben auf die illustre Sammlung, von unten nach oben in die alten Regale schauend, ließ ich später die Stillleben des Themas Im Geräms anschauen.

Ferramentum

Zwingende Elemente – Acryl auf Karton – 75×105 cm
Hochdruck Acryl, Asphalt auf Leinwand – 80×130 cm
Schneidig – Acryl auf Leinwand – 80×130 cm